Eine Empfehlung von Karen Verweegen:
David Abulafia, Jahrgang 1949, ist Professor für die Geschichte des Mittelmeerraumes in Cambridge. Er wurde für seine vielen Bücher bereits mehrfach ausgezeichnet, dieses erhielt im Original den Mountbatten Award for Literary Excellence. Das Buch stellt nicht die Geschichte der Mittelmeer-Anrainer-Staaten dar, sondern die des Meeres selbst bzw. der Menschen, die es befuhren und an seinen Küsten oder auf seinen Inseln siedelten. Dabei beginnt der Autor ca. 22000 v.Chr. und geht bis ins Jahr 2010. Es gibt ein detailliertes Inhaltsverzeichnis, ein umfangreiches Register sowie ganze 95 Seiten Anmerkungen und Quellen. In den Text sind häufig Kartenskizzen eingefügt. Zusätzlich gibt es im Buch 2 Blöcke mit allerdings kleinformatigen, z.T. farbigen Bildern. Man kann das Buch von vorn bis hinten lesen, wirklich wie eine Biographie (s. Untertitel), oder aber sich anhand von Inhaltsverzeichnis oder Register einzelne Kapitel oder Themen herauspicken. Die Materialfülle des Buches ist immens, aber nicht erdrückend, denn der Autor kann nicht nur forschen, sondern auch flüssig und anschaulich schreiben. Ihm ist ein faszinierendes Buch gelungen, das ich jedem geschichtlich Interessierten nur empfehlen kann.
Eine Empfehlung von Karen Verweegen:
Sebastian von Eschburg ist der Sprössling einer alten deutschen, konservativen und gefühlskalten Familie. Sebastian wächst einsam auf, erlebt den Selbstmod seines Vaters, wird Fotograf in Berlin und lebt als Künstler in einer Logik der Farben. Er sucht im Leben die Schönheit, die perfekte Farbkomposition, die Sprache der Farben, die Vollendung, versucht, das Dunkle im Meer zu interpretieren, die Weite des Himmels einzufangen, er möchte das Schöne der Frauen einfangen, bis er selbst seinem Verlangen zum Opfer fällt und eines Verbrechens überführt wird, bei dem es keine Leiche gibt. Ferdinand von Schirachs neues Buch ist ein Künstlerroman, ein Justizdrama und am Ende ist es eine Beschreibung der Abgründe des Menschen. Spannend!
Eine Empfehlung von Karen Verweegen:
Schnoy ist Kabarettist und er studierte einmal Geschichte. Beide Fertigkeiten führt er in seinen Büchern zusammen, und so kamen auch Bestseller zustande. Mit Sprachwitz und originellen Vergleichen zeichnet er die Geschichte Europas nach und lässt alles Kriegerische mit Absicht beiseite. Vielmehr richtet er den Fokus auf die Kulturgeschichte, auf interkulturelle Unterschiede, auf herrschende Klischees. Schnoy ist belesen und er bringt viele Fakten unter. Sein Augenzwinkern ist bei der einen oder anderen Information vielleicht nicht immer für jeden erkennbar. Aber das Taschenbuch möchte auch kein Lehrbuch sein. Unterhaltsam ist es, und es hat wiederum das Zeug zum Bestseller. Humoristische Fotos runden den Band ab.
Eine Empfehlung von Karen Verweegen:
Feridun Zaimoglu bleibt den gesellschaftlichen Randgebieten und ihren Bewohnern treu. Er wendet sich dem Leben einiger Großstadtkreaturen zu, die fern von Berliner Hipness und Touristenströmen ihre eigenen Wege gehen. Isabel ist eine schöne Frau, aber nicht mehr schön und jung genug, um weiter zu modeln, und nicht anerkannt genug, um als Schauspielerin an die großen Rollen zu kommen. So arbeitet sie als Gelegenheitsdarstellerin, ist mit der Liebe am Ende, verlässt ihren Freund und beschließt, ihr Leben neu zu entwerfen. Es ist die Zeit nach den Sensationen, sie verabschiedet sich von der Lust und wählt den Weg in die Keuschheit. Nachdem es auch ihren Eltern trotz großer Anstrengungen nicht gelungen ist, ihr einen passenden Heiratskandidaten zuzuführen, trifft sie Marcus, und es beginnt die Geschichte von Isabel und dem Soldaten. Marcus ist ein Kriegsheimkehrer aus dem Kosovo-Einsatz, traumatisiert und nur daran interessiert, eine aufs Nötigste reduzierte Existenz zu führen. Ihre Begegnung verändert beider Leben und führt sie auf eine faszinierende und bedrohliche Reise in Marcus' Vergangenheit. Gewohnt sprachmächtig, dabei sehr genau in der Beobachtung und bewusst in der Verknappung, führt Zaimoglu seine Leser in eine Welt der zurückgefahrenen Lebenserwartungen, die aufgebrochen wird durch Liebe, Schmerz, Reue und Rache.
Eine Empfehlung von Karen Verweegen:
Pariser Starautor und Frauenheld, moderner Klassiker und "säkularer Heiliger", desillusionierter Intellektueller und Vordenker eines posttotalitären Europa: Albert Camus' Faszination ist bis heute ungebrochen. Iris Radisch, Feuilleton-Leiterin der ZEIT, nimmt uns in ihrer Camus-Biografie mit auf eine faszinierende Reise durch Leben und Werk des großen Algerienfranzosen, der in Paris nie heimisch wurde. Am 7. November 2013 wäre Albert Camus hundert Jahre alt geworden. "Es wird Zeit, sich dem algerischen Camus zuzuwenden" - das ist Radischs Ansatz: die Bindung an seine algerische Heimat, das Fremdheitsgefühl gegenüber Frankreich/Paris. Der Aufbau des Buches orientiert sich an Camus' Lieblingswörtern, den Sehnsuchtsbildern, die seinem literarischen und philosophischen Werk Form und Tiefe geben: Die Welt, der Schmerz, die Erde, die Mutter, die Menschen, die Wüste, die Ehre, das Elend, der Sommer, das Meer. Radisch schildert nicht nur ein schnelles, abenteuerliches Schriftstellerleben, sie stellt auch die Werke mit ihrem heute noch tragfähigen Ethos vor. Spannend lesen sich die Ausführungen über die Kontroverse mit Sartre, der Camus für einen "schlechten" Denker hielt. Dieser allerdings behielt in fast allen Belangen gegenüber dem moskautreuen Sozialisten Sartre recht. Antitotalitarismus, Kritik der instrumentellen Vernunft, Wachstumsskepsis - es gibt viele Motive in Camus' Denken und Schreiben, an die sich heute anknüpfen lässt. Radischs hervorragend zu lesende Biografie macht Lust auf eine Wiederentdeckung.
Eine Empfehlung von Karen Verweegen:
Gelungener Debüt-Roman von Graeme Simsion, einem IT-Berater aus Australien. Er erzählt die Story um Don, Naturwissenschaftler mit autistischen Zügen auf der Suche nach der perfekten Frau, Dabei zieht er einerseits sämtliche Klischees von Liebesgeschichten durch den Kakao und bildet andererseits aber auch schonungslos unsere Gesellschaft ab, in der Selbstverwirklichung stets an 1. Stelle steht und selbst die Liebe mithilfe von Partnerbösen durchgeplant wird. Auf ähnliche Weise möchte es auch Don schaffen - Don, der sich lieber auf Statistiken verlässt als auf seine kaum vorhandenen empathischen Gefühle. Gut, dass Rosie durch jedes Raster fällt und am Ende trotzdem die Richtige ist! Ein humorvolles, komisches und nachdenklich stimmendes Buch und auch eine wunderbare Urlaubslektüre!
Eine Empfehlung von Karen Verweegen:
Pest und Krieg, Seuche und Hungersnot, Leben und Sterben haben die Menschen in der Uckermark, und um genau zu sein, in Fürstenfelde überlebt, also werden sie sich von der Gegenwart nicht unterkriegen lassen. Dabei haben sie nach der Wende nicht gerade das große Los gezogen. Viele sind weggegangen, geblieben sind die Alten, Schrulligen, der Glöckner, der kaum noch auf den Glockenturm steigen kann, die nachtblinde Malerin und nun ist auch noch der Fährmann tot. Für die Jugend bieten sich wenig Perspektiven. Die Tankstelle hat zugemacht, man trifft sich bei Ulli in der Garage und bleibt "unter sich". Der aus Bosnien stammende Autor beschreibt das Heimatgefühl einer Dorfgemeinschaft und schlägt dabei den Bogen von der fünfhundertjährigen Geschichte zum multimedialen Zeitalter. Fast wachsen einem die Protagonisten ans Herz und man ist auch dagegen, dass der zugezogene Architekt aus Berlin einen festen Platz beim Stammtisch kriegt. Ein herausragender Roman, der 2014 den Preis der Leipziger Buchmesse erhielt.
Eine Empfehlung von Karen Verweegen:
Jacques und Ettore sind Auftragskiller und mittlerweile um die 90(!). Das schwule Paar will sich endgültig zur Ruhe setzen, um eine Trattoria zu eröffnen. Hierzu lädt man Freunde wie Feinde ein, Mafiosi wie Geheimdienstler; zwischen den erlesenen Menügängen werden Geheimnisse ihrer beruflichen Laufbahn gelüftet: um Haiders Autounfall, Barschels Badewanne, Möllemanns Fallschirm ... Ein augenzwinkernder Krimispaß mit eingestreuten, ausführlich wiedergegebenen Rezepten. Hierfür gewann Guido M. Breuer den renommierten Koch Patrick P. Panahandeh als Koautor. Es wird mit Klischees gespielt, auf kurzweilige Weise rabenschwarzer Humor serviert (da Killer Jacques als Hobbykoch mitunter auch kannibalischen Genüssen frönt), und wider Willen beginnt man als Leser eine gewisse Sympathie für die beiden Oberschurken zu entwickeln. Derart amüsante Krimis - eigentlich schon Krimi-Parodien - gibt es leider viel zu selten. - Eine wunderbare Urlaubslektüre!
Eine Empfehlung von Karen Verweegen:
Der Volkswirt Kreiß stellt anschaulich Formen von Verbrauchertäuschung und Kundenbetrug zwecks Gewinnerzielung vor. Zur geplanten Obsoleszenz (Verkürzung von Gebrauchsdauer und Produktlebenszeit) gehören auch Strategien bei Ersatzteilen, Reparaturen und schnelle Abfolge neuer Modelle. Und das kann er belegen an vielen Beispielen zumeist bekannter Markenprodukte. Er schlüsselt zum Teil nach Branchen auf mit aufschlussreichen Berechnungen, den Zwängen von Wettbewerb und Preisgestaltung. Besonders kritisch sieht er die Rolle der Werbung. Bemerkenswert, wie er das Für und Wider von Verbraucherschutz und Testergebnissen beurteilt. Oft bezieht er sich auf kürzlich erschienene Medienberichte und Bücher, die er schätzt. Sehr klar werden die negativen Folgen reiner Profitinteressen verdeutlicht. Die abschließenden Reformforderungen und Alternativen sind großenteils bekannt, aber hier besonders eindringlich präsentiert. Mit vorbildlichem Anhang. Das Buch sollte Pflichtlektüre aller kritischen Verbraucher sein.
Eine Empfehlung von Karen Verweegen:
1987: Ein junges Paar vom (Ost-)Berliner Prenzlauer Berg fühlt sich bedrängt von den politischen Verhältnissen. Sie fälschen eine Einladung und erhalten daraufhin ein Visum für Russland und die Mongolei, Sehnsuchtsorte der beiden Wildnisliebhaber. Aber ihr geheimes Ziel ist das für DDR-Bürger eigentlich unerreichbare China. Von Ulan Bator aus versuchen sie nach Peking zu gelangen. Mehrmals drohen sie bei Ihrer mehr als 10.000 km langen Reise aufzufliegen. Aber sie schaffen es und kommen bis nach Peking. Hier am Ende ihrer Reise trennen sich ihre Wege: Sie tritt die Heimreise an zurück in die DDR, er geht in die bundesdeutsche Botschaft in Peking und reist in den Westen aus. Der Spiegel-Journalist Peter Wensierski hat die Geschichte dieser Reise in diesem Buch anschaulich und berührend nacherzählt.
Eine Empfehlung von Karen Verweegen:
Auf die Pfaueninsel in der Havel bei Potsdam zogen sich die preußischen Könige mit ihren Familien gern zur Erholung zurück. Unter der Leitung des Hofgärtners Fintelmann wurde sie zu einem künstlichen Paradies umgestaltet und war ein Beispiel der Gartenkunst des 19.Jahrhunderts. Vor diesem Hintergrund erzählt Thomas Hettche, der bereits mehrfach für den Deutschen Buchpreis nominiert wurde, die Lebensgeschichte der kleinwüchsigen Maria Dorothea Strakon, eines Schlossfräuleins, das tatsächlich auf der Pfaueninsel gelebt haben soll. Marie, wie sie genannt wird, hadert mit ihrem Schicksal, ein Monster zu sein. Nackt entblößt sie sich vor der Spiegelwand im Schloss, um ihren verwachsenen Körper anzusehen. Sie verliebt sich in den Gärtner, doch ihre Liebe bleibt unerwidert ... Hettche thematisiert die Frage nach der Schönheit, beschreibt in philosophischen Überlegungen die zauberhafte Natur der Insel mit ihren exotischen Tieren in der Menagerie und die Qualen Maries, sich selbst und das Leben anzunehmen.
Eine Empfehlung von Karen Verweegen:
Kann man sich vorstellen, dass sich Winston Churchill und Charlie Chaplin heimlich treffen, um sich über die verschiedensten Möglichkeiten von Selbstmord zu unterhalten? Michael Köhlmeier kann es. Dank seines Vaters, der unbedingt eine Biografie über Churchill schreiben wollte und eines Tages dessen "very private Private Secretary" William Knott kennenlernte, der ihm dies alles berichtete. Köhlmeier hat aus dieser Konstellation wieder einmal ein äußerst unterhaltsames Buch entstehen lassen. Berichtet wird von den privaten dunklen Seiten beider Persönlichkeiten, ihren wiederkehrenden Depressionen ("der schwarze Hund") und wie sie sich dagegen zu schützen suchten. Der eine, indem er ein bewunderter Künstler wurde; der andere, indem er England durch einen Krieg mit Deutschland führte. Und Köhlmeier schreibt nebenbei eine Geschichte der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts, erzählt von Politik und Kunst, Komik und Ernst dieser Jahre. Er spielt mit Fakten und Fiktion, vermischt beide und lässt den Leser raten, was wahre Geschichte und was Roman ist.